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Louis Antoine de Bougainville

 

 12. November 1729 - 31. August 1811

 

 

Von Chamisso zu Bougainville


Nach dem Ende der internationalen Chamisso-Konferenz im Juni in Paris strebte der Berliner Biologe Matthias Glaubrecht ins Panthéon , um dem Grab des französischen Entdeckers Louis Antoine de Bougainville einen Besuch abzustatten (Foto).  

 

Bougainville segelte 1766-1769 als erster Franzose um die Welt und entdeckte Tahiti noch vor dem britischen Kapitän Cook. Sicher kannte Chamisso die Reisebeschreibung Bougainvilles, die in den Pariser Salons und unter den Philosophen der Aufklärung für Gesprächsstoff sorgten: Sie begründeten den Mythos von der Südsee als Paradies, in dem die Menschen noch in glücklicher Unschuld lebten und liebten. Bougainville starb am 31. August 1811, also vor 200 Jahren, aus diesem Anlass hat Matthias Glaubrecht im TAGESSPIEGEL jetzt ein schönes Porträt des Weltentdeckers veröffentlicht, dem Chamisso wenige Jahre später nachgereist ist. Zu lesen hier.

 

  Visit the Panthéon in Paris here ! 

 

 

20.08.2011
Source: Der Tagesspiegel

 

Die Enthüllung der Welt
Eine Würdigung von Matthias Glaubrecht zum 200. Todestag

 


Neun Tage auf Tahiti machten ihn berühmt, sein Bericht schuf den Mythos von der Südsee als Paradies. 1811 starb Kapitän de Bougainville, der erste Weltumsegler Frankreichs.

 

Seit Monaten hatten die Franzosen keine Frau mehr gesehen. Und nun das. „Die meisten dieser Nymphen waren nackt“, schreibt ihr Kommandant später über die Frauen, die ihnen da entgegenrudern. Ihre Gesten sollen eindeutig einladend gewesen sein. „Man kann sich vorstellen,“ setzt Louis Antoine de Bougainville seinen Bericht fort, „wie schwer es angesichts eines solchen Schauspiels fiel, 400 junge französische Seeleute zu bändigen“.

 

Mehr als ein Jahr mit unmenschlichen Entbehrungen liegen da schon hinter der Mannschaft. Seit sie Frankreich mit den Winterstürmen 1766 verlassen hatten, mussten sie mehrfach den südlichen Atlantik bis zu den Falklandinseln durchkreuzen.

 

Sie kämpften sich durch das Labyrinth der Magellanstraße an der Südspitze Südamerikas. Wochenlang trotzten sie Regen und Eis, Kälte und Sturm, bevor sie die schier unendliche Wasserwüste des Pazifik erreichten.

 

 

Mehr als einmal waren die „Boudeuse“ und ihr kleines Begleitschiff „Etoile“ unbekannten Riffen glücklich entronnen, nun, Anfang April 1768, lassen sie an der Ostküste Tahitis den Anker fallen – und sind sofort von Kanus umringt. „In den Booten fanden sich viele Frauen, die den Europäerinnen mit Blick auf ihren schönen Wuchs den Vorzug streitig machen konnten.“ Ein Mädchen gar erklimmt das Deck. „Sie ließ ungeniert ihre Bedeckung fallen und stand vor den Augen aller da wie Venus. Sie hatte einen göttlichen Körper.“  

 

 La Boudeuse

 

Bougainville glaubt, er sei ins Paradies gelangt. Folgerichtig tauft er das pazifische Eiland „Nouvelle Cythère“, nach jener griechischen Insel Kythera, auf der die Liebesgöttin Aphrodite der Sage nach an Land gegangen sein soll. Die Eingeborenen nennen ihr Eiland nicht weniger wohlklingend Otahiti.

 

„Die Reise, von der ich Ihnen berichten will, ist die erste ihrer Art, die Franzosen unternommen haben und die auf Schiffen Ihrer Majestät durchgeführt wurde. Die ganze Welt verdankt dieser Reise bessere Kenntnis von der Gestalt der Erde.“ Mit diesen Worten, gerichtet an seinen Auftraggeber, den französischen König Ludwig XV., beginnt Louis Antoine de Bougainville daheim seinen epochalen Bericht. Eine wahrhafte Enthüllung, nicht nur eines neuen Bildes der Welt, sondern zugleich der Natur des Menschen. Diese ist, so die Botschaft, die in den Salons von Paris, London und Berlin wie ein Lauffeuer die Runde macht, auf der anderen Seite der Erde ebenso exotisch wie erotisch.

 

Als Bougainvilles „Voyage autour du monde“ Mitte Mai 1771 in Paris erscheint, kehrt James Cook gerade von seiner ersten Entdeckungsreise um die Welt nach England zurück. Cook wird diesen Bericht später als „die nützlichste und auch unterhaltsamste Beschreibung einer Reise durch dieses Meer“ bezeichnen. Ohne es zu wissen, ist er dem Franzosen ein Jahr lang auf ähnlicher Route durch den Pazifik hinterhergesegelt. Dennoch wird Bougainville später stets im Windschatten von Cooks Ruhm bleiben.

 

Zwar entdeckte auch der Franzose neue Inseln im Pazifik, doch wenn man sich seiner heute überhaupt noch erinnert, dann meist dank einer inzwischen weltweit verbreiteten, prächtig blühenden Zierpflanze, der Bougainvillea, die der Botaniker Philibert Commerson während der Weltumsegelung erstmals in Brasilien entdeckt und nach ihm benennt.

 

Nur der Mythos von paradiesischem Leben und freier Liebe in der Südsee rankt beinahe ebenso üppig. Zwar bleibt Bougainvilles Expedition nur neun Tage auf Tahiti. Die aber sind legendär.

 

„Die Vielweiberei scheint bei ihnen allgemein zu sein, wenigstens bei den Vornehmen. Ihre einzige Leidenschaft ist die Liebe. … Die Frauen bringen ihre Tage in Ruhe und Muße zu, und ihre größte Beschäftigung ist die Sorge zu gefallen“. Bougainvilles ausführlicher Bericht vom Zauber eines angeblich in Unschuld lebenden Volkes ist der Höhepunkt seiner „Voyage“. Er schien in Einklang mit den zu dieser Zeit viel diskutierten Naturlehren des Jean-Jacques Rousseau und dessen Vorstellung vom edlen Wilden. Rousseau selbst pflegte in Paris einen zur damaligen Zeit eher unkonventionellen Lebensstil; unverheiratet lebte er offen mit einer nicht standesgemäßen Geliebten zusammen, die ihm überdies fünf Kinder gebar. Der Denker hielt den Menschen für gut, die Menschen aber für schlecht. Den Zivilisationsprozess sah er als fortschreitende Entartung und schürte die Sehnsucht nach einem ursprünglichen, in Unschuld lebenden Zustand auf glückseligen Inseln. Bougainvilles Südsee-Report inspirierte Philosophen wie Denis Diderot und Jacques Victor Edouard Taitbout zu Abhandlungen über sexuelle Freiheit und die menschliche Gesellschaft. Vielleicht bereitete er gar der französischen Revolution ein Stück weit den Weg.

 

Tahiti – allein der Name sollte lange das Paradies verheißen. Und Bougainville hatte es entdeckt. Dabei war sein Auftrag ein ganz anderer gewesen. Er sollte einen mindestens ebenso mystischen Ort finden: terra incognita australis – das unbekannte Südland. Es sollte, so hatten Philosophen postuliert, die Landmassen der Nordhalbkugel ausbalancieren.

 

Louis Antoine de Bougainville hatte viele Talente. Seemann hingegen war er eigentlich nicht. Erst spät wurde er durch eine glückliche Fügung des ihm wohlgesonnenen Schicksals zum Entdecker. Überhaupt war seine Karriere eher die eines Überlebenskünstlers.

 

Ein Ziehkind der Royalisten und treuer Diener der Könige Ludwig XV. und Ludwig XVI., wurde er später von den Schergen Robespierres inhaftiert, rettete aber in den Wirren der französischen Revolution 1793 seinen Kopf und avancierte schließlich sogar zum Vertrauten und Freund Napoleons, bevor er hochdekoriert und für die damalige Zeit hochbetagt im Alter von 81 Jahren am 31. August 1811 starb und im Nationalmausoleum des Panthéon in Paris beigesetzt wurde.

 

Zur Welt gekommen war Bougainville in Paris als Sohn eines einflussreichen Notars am 11. oder 12. November 1729. Ein Kind der Pariser Gesellschaft mit glänzenden Aussichten für jede denkbare Karriere, verfügte er über vielseitige Begabungen und suchte lange nach einer ihm angemessenen Aufgabe. Das Jura-Studium gab er auf, um 1754 in die französische Armee einzutreten. Daneben hatte er sich solides naturwissenschaftliches Wissen seiner Zeit angeeignet und ein mathematisches Werk über die Integralrechnung verfasst. Seine mathematische Begabung sollte ihm später als Navigator von großem Nutzen sein.

 

 

Zuvor indes musste Bougainville die bis nach Nordamerika getragenen blutigen Auseinandersetzungen der europäischen Nationen während des Siebenjährigen Krieges (von 1756 bis 1763) überstehen – ein Gemetzel, das zum ersten großen weltumspannenden Krieg ausartete. Bougainville ging 1756 nach Kanada, kämpfte dort gegen Indianer und Briten, wurde mehrfach verwundet, geriet in Gefangenschaft – und könnte durchaus Vorbild einer Figur in James Fenimore Coopers Roman „Der letzte Mohikaner“ gewesen sein.

 

Eine gute Figur machte er in diesem Krieg allerdings nicht; seine Rolle war eher zwiespältig – mit einer Reihe peinlicher Momente, denn Bougainville kam bei den Kämpfen entweder zu spät oder er zog sich mit seinen Truppen zu schnell zurück. Seine Zeit kam erst, nachdem die kanadischen Besitzungen Frankreichs durch den Friedensvertrag 1763 an Großbritannien fielen und sich die Rivalität der beiden Nationen auf andere Weise fortsetzte – jetzt auf dem Gebiet der Wissenschaft.

 

Mit dem Blick des strategischen Denkers erkennt Bougainville, dass Frankreich anderswo in der Welt nach neuem Einfluss und Handelsmöglichkeiten suchen muss. Vom König zum Seekapitän ernannt, wird er mit einer diplomatischen Mission um die Falklandinseln beauftragt. Deren Kolonisierung durch Frankreich scheitert zwar am Widerstand Spaniens, die Mission liefert aber den Anlass zur ersten Weltumsegelung der Franzosen. Denn der Abenteurer Bougainville will nicht über den Atlantik nach Europa zurückkehren, sondern westwärts durch den in weiten Teilen gänzlich unbekannten Pazifik segeln. König Ludwig XV. stimmt zu und versorgt ihn mit dem hochoffiziellen Auftrag, das sagenumwobene Südland zu suchen.

 

An Bord hat Bougainville zwei von der Pariser Akademie der Wissenschaften entsandte Forscher, den Botaniker Philibert Commerson und einen Astronomen, denen wichtige Beobachtungen gelingen. Bougainville wird dank seiner sorgfältigen Beobachtung und Beschreibung der Südseeinsulaner zum Begründer der Ethnografie. Überdies nimmt er Tahiti und die umliegenden Inseln für Frankreich in Besitz und begründet damit Französisch-Polynesien.

 

Sein Schicksal als Entdecker und damit das der französischen Besitzungen im Pazifik entscheidet sich indes an der Küste einer hierzulande weitgehend unbekannten Inselgruppe im südwestlichen Pazifik. Nach Wochen ohne Landsicht erreichen Bougainvilles Schiffe Vanuatu. Als die ausgemergelte Mannschaft frisches Wasser und Nahrungsmittel aufnehmen will, gerät sie in feindliche Auseinandersetzung mit den Einheimischen; überstürzt bricht Bougainville wieder auf.

 

Der Proviant ist bald verbraucht, längst ernährt sich die von Skorbut geschwächte Mannschaft von Ratten, das inzwischen ungenießbare Wasser geht zur Neige, als am 6. Juni 1768 vor den westwärts segelnden Schiffen unerwartet eine schier unendliche Barriere aus Korallenriffen auftaucht. Bougainville hat bei 15° 34' Süd und etwa 150° 46' östlich von Greenwich das Große Barriereriff erreicht. Dahinter liegt – ihm noch verborgen – das ersehnte Südland: die Ostküste Australiens. Zwei Jahre später wird James Cook diese erstmals betreten und für England in Besitz nehmen. Bougainville kann das Land förmlich riechen; doch um seine Schiffe zu retten und keine Meuterei der ausgezehrten Mannschaft zu riskieren, wendet er die „Boudeuse“ nach Norden – und bringt sich und Frankreich so um die Entdeckung eines ganzen, so lange gesuchten Kontinents.

 

Nach einer weitere Wochen währenden und entbehrungsreichen Odyssee durch die gefährliche Inselwelt des westlichen Pazifiks erreicht Bougainville entlang der Inseln und Küsten des heutigen Bismarck-Archipels und Neuguineas schließlich die Molukken, wo ansässige holländische Händler sie endlich mit Wasser und Nahrung versorgen.

 

In die Annalen der Geschichte geht Bougainville damit nicht als großer Entdecker ein, sondern als Urheber jenes romantisch-verklärten Idealbildes, das er und seine Reisegefährten von Tahiti zeichnen. Der Bericht über seine abenteuerliche Weltumsegelung wird viel gelesen, er selbst zum Star in den europäischen Salons. Auf dem fruchtbaren Boden eines neuen Interesses an der Erdkunde prägt seine Lobpreisung der paradiesisch anmutenden Lebenswelt von „Nouvelle Cythère“ maßgeblich und für Jahrzehnte das in Europa kultivierte idealisierte Bild der Südsee – eine Traumwelt, die lange durch die Köpfe der Menschen geistert, von Robert Louis Stevenson und Paul Gauguin bis zu den Touristen von heute.

 

Bougainvilles Bedeutung liegt indes nicht nur in der Erweiterung geografischer Kenntnis. Tatsächlich verkörpert er ähnlich wie beinahe zeitgleich James Cook den Seefahrer neueren Typs. Bougainville war der erste, der sich auf eine entsprechend vorbereitete Expedition um die Welt begab und die Entdeckung des Pazifik zu einer wissenschaftlich fundierten Unternehmung machte. Mit ihm, einem echten Aufklärer in mehr als einer Hinsicht, wurde Entdeckung gleichbedeutend mit Beobachtung und Wissen. Damit begründete er eine die erste Hälfte des folgenden Jahrhunderts prägende Forschungstradition. Seine Weltumrundung – und eben nicht allein die weitaus bekannteren Cook’schen Expeditionen – wird so zum Vorbild für die weitere naturkundliche Exploration dieser Erdregion.

 

Ganz nebenbei und gänzlich unbeabsichtigt verhalf Bougainville auch Jeanne Baret als erster Frau zur Weltumsegelung. In Männerkleidern hat die sich als Gehilfin und Geliebte des Botanikers Philibert Commerson an Bord von Bougainvilles Expedition geschmuggelt, bevor ihr Versteckspiel ausgerechnet auf Tahiti aufflog – wie Bougainville selbst berichtet. Ihr Leben als einzige Frau unter hunderten von Seeleuten war fortan, so muss man annehmen, eher Hölle als Paradies.

 

 

 

 

 

Jeanne Baret 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

The European Shareholders of Bougainville Copper (ESBC)
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